COASTER CANDY

Albrecht Wild

27. Juli – 26. Oktober 2019

Albrecht Wild entwickelt neue Formen, die auf dem Spiel zwischen angewandter und freier Kunst basieren

Schöne japanische Geishas im Kimono- gedruckt auf Pappuntersetzer, auf Bierdeckel oder auf, wie man im englischsprachigen Raum sagt, Beermats. Solche Souveniers, die die Werke der Meister der japanischen Ukiyo-e Farbholzschnitte zeigen und sich in Japan großer Beliebtheit erfreuen, lässt sich der weltweit vernetzte Künstler Albrecht Wild von überall her zusenden.
Wenn Wild drei komplette Motiv-Sätze dieser Untersetzer zusammenbekommen hat, beginnt er sie, nach akribischer Vorplanung und unter Neigung der semantischen Ebene, mit vier Schnitten zu zerteilen, um daraufhin die Einzelteile in veränderter Ordnung zu einem neuen Objekt zusammenzufügen. Es ist, als ob in diesem künstlerischen, dekonstruktiven Vorgang der Bierdeckel eine Metamorphose durchläuft und sich dabei von seinem Charakter befreit, um so zu einem neuen Ganzen zu werden, das die Aura des Einmaligen besitzt. Diese mittels Schnittmuster neu zusammengesetzten Bierdeckel-Arbeiten stehen als Einzelobjekte für sich. Das Ergebnis sind neue Kompositionen und Formen und zum Teil erschließen sich neue Bedeutungsebenen.
Doch der Künstler lässt sich weder auf japanische Geishas noch auf Bierdeckel reduzieren. Wild, der bei Thomas Bayrle an der Frankfurter Städelschule und an der Londoner Slade School of Fine Arts Malerei studierte, geht in seinen großformatigen „gebauten“ Bildern ebenso vor: Er zerschneidet Plakate oder andere Werbeträger in einzelne Fragmente und bindet sie in seine Malerei ein. Jedes einzelne seiner Werke stellt eine Reaktion auf die Form, die Botschaft, die Schrift und die Grafik des Ausgangsmaterials dar. Der gemeinsame Nenner seines variantenreichen Gesamtwerks lautet: Verwandlung. Er verwandelt Produkte der angewandten Grafik wie Plakate, Flyer und Bierdeckel in eine neue, eigenständige und freie Ästhetik ohne jeglichen zweckgebundenen Charakter.

Anett Göthe
Journal Frankfurt
09/2018